COVID-19 und Ernährung

COVit-Studie untersucht den Einfluss spezieller Nährstoffe auf den Verlauf der SARS-CoV-2-InfektionInterview mit Prof. Dr. med. Stefan Schreiber   Seit der steten weltweiten Ausbreitung des Coronavirus stehen der Erreger und die durch ihn ausgelöste Erkrankung COVID-19 im Fokus der medizinischen Forschung. Beim Kampf gegen das Virus und möglichen Strategien, die Infektion zu verhindern oder zumindest die Schwere des Krankheitsverlaufs abzumildern, könnten verschiedene Risikofaktoren eine Rolle spielen. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) fokussiert in einer bundesweiten Studie den Zusammenhang von Ernährungsinterventionen und Immunkompetenz. Die connexi­plus-Redaktion befragte in der Pilotphase den Leiter Prof. Dr. Stefan Schreiber­, Direktor der Klinik für Innere Medizin I, zu den Intentionen und anlässlich des Starts der Hauptphase am 01.02.2021 zum aktuellen Stand dieser Studie.  Welche Rolle spielt der Ernährungsstatus für die Immunkompetenz? Wir sind der festen Überzeugung, dass die Ernährungssituation einen wesentlichen Einfluss darauf hat, ob und wie ein Patient eine schwere Infektion übersteht. Auf welcher Basis wurde die Studie konzipiert? Schon in der Vergangenheit stellte man sich bei ähnlichen Erkrankungen/Pandemien, wie z. B. der sog. Spanischen Grippe, die Frage, warum die Betroffenen so unterschiedliche Verläufe haben, von leichten Symptomen bis zum tödlichen Ausgang. Ist das schicksalhaft oder gibt es Vorgänge im menschlichen Körper, die darauf Einfluss haben? Das Influenza­virus hat damals, seit dem ersten Ausbruch 1909 und dann in drei schweren Wellen von 1918–20, Millionen von Menschen umgebracht. Viele damalige Umstände haben sich seither geändert, aber wir haben jetzt trotzdem, wenige Monate nach Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie, weltweit schon 1.007.769 Todesfälle (Deutschland fast 9.500, Stand 30.9.2020). Einer der offensichtlichen Einflüsse auf die Mortalität zwischen 1918 und 1920 war nach dem Ersten Weltkrieg eine Ernährungssituation der Bevölkerung, die mit einer Protein-Kalorien-Malnutrition alles andere als optimal war. Wir glauben, dass die hohe Todesrate auf eine spezifische Unterernährungssituation zurückzuführen war. Und auch heute vermuten wir, obwohl die Ernährungssituation sehr viel besser ist als damals, dass der Ernährungsstatus des einzelnen Menschen nicht immer ausreichend so ausbalanciert ist, um Angriffen wie z. B. durch ein aggressives Virus erfolgreich zu widerstehen. Wir sind überzeugt, dass Mangelernährung also noch immer ein wesentlicher Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer Infektionserkrankung wie COVID-19 ist. Eine Mangelernährung ist zwar heute nicht mehr vergleichbar mit der vor 100 Jahren, wo es an allem fehlte. Aber wir wissen, dass auch mit der derzeitigen Lebens-/Ernährungsweise dem Körper nicht alles gleichermaßen an Nährstoffen zugeführt wird, was er braucht. Im Gegenteil, einiges ist vielleicht sogar schädlich, wenn es dauerhaft und „bis zum Anschlag“ zur Verfügung steht. Worauf beruht die Hoffnung, die Schwere des Verlaufs einer Infektionskrankheit durch Ernährungsinterventionen beeinflussen zu können? Dafür, dass die hohe Todesrate während der Spanischen Grippe auf eine spezifische Malnutritionssituation zurückzuführen war, gibt es überzeugende tierexperimentelle und Daten aus epidemiologischen Studien. Tiere, denen bestimmte Nährstoffe fehlten, werden stärker krank. In weiteren Studien wurde festgestellt, dass molekulare Ernährungsinterventionen im Tiermodell eine reparierende Wirkung für die Immunfunktion haben und ihnen eine antientzündliche Wirkung zukommt. Beim Menschen wurde bei bestimmten Erkrankungen gesehen, wie die Infektion selbst den Tryptophanstoffwechsel beeinflusst. Bei Patienten mit SARS oder nach einer Ansteckung mit dem MERS-CoV-Virus und bei Grippekranken wurde eine Verknappung von Tryptophan, eine essenzielle Aminosäure, die vom menschlichen Körper nicht gebildet wird und mit der Nahrung zugeführt werden muss, beobachtet. Offenbar baut der Körper bei chronischen Entzündungen Tryptophan ab und wandelt sie in Stoffwechselprodukte um, die selbst entzündungsfördernd sind und somit den Heilungsverlauf negativ beeinflussen. Mit dieser Art der Mangelernährung überstehen die Patienten chronische Infektionen dann also schwerer als Menschen mit besserem Ernährungsstatus. Was genau ist der Gegenstand Ihres Forschungsprojekts in Kiel? Welche und wie viele Patienten wurden eingeschlossen?Wir haben eine Studie aufgelegt zur Wirksamkeit einer molekularen hochdosierten Ernährungsintervention bei Patienten mit COVID-19-Erkrankung in einem frühen Stadium und Symptomen (Ernährungsstudie COVit). Wir wollen an 1.300 Patienten zeigen, dass es seltener zu einem schweren Krankheitsverlauf kommt, wenn die Ernährung durch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel positiv beeinflusst wird. Der primäre Endpunkt der Studie ist, ob der Patient ins Krankenhaus aufgenommen werden muss und dort sauerstoffpflichtig wird. Beteiligt sind unterschiedlichste Interessengruppen für solch einen breiten Ansatz: Neben uns als Internisten arbeiten auch Ernährungsmediziner, Epidemiologen, Molekularbiologen sowie das Kompetenznetz Darmerkrankungen daran mit. Es geht darum, milde Erkrankungen zu stabilisieren und die Zahl schwerer Verläufe, die eine Sauerstofftherapie oder invasive Beatmung im Krankenhaus nötig machen, zu reduzieren. Dazu soll gezielt der Ernährungsstatus der Patienten in ganz definierten Aspekten vorübergehend gestärkt werden. Wie werden die Patienten in dieser Studie behandelt? Da Tryptophan nicht so einfach zu substituieren ist und vor allem auch toxisch sein kann, wird in der Studie zusätzlich zum üblichen medizinischen Vorgehen bei COVID-19 über einen Zeitraum von vier Wochen eines der Tryptophan-Stoffwechselprodukte, das Vitamin B3, eingesetzt, und zwar in einer Dosierung von 1.000 mg pro Tag (mit der Erwartung hier eine bessere Wirksamkeit zu beobachten als bei der Behandlung mit dem Vergleichsprodukt). Alternativ wird untersucht, ob auch die einmal tägliche Einnahme eines weiteren Nahrungsergänzungsmittels, der Kieselerde, den Heilungsverlauf der COVID-19-Erkrankung positiv beeinflusst. Die Kieselerde wird in einer hohen, jedoch unbedenklichen Dosis verabreicht. Auch das eingesetzte Vitamin B3 bekommt man in diesem speziellen Reinheitsgrad nicht in der Apotheke.  Warum fiel die Wahl der zweiten Substanz neben Vi­ta­min­ B3 gerade auf Kieselerde?  Es sollte eine Vergleichsgruppe sein, die aus medizinischer Sicht eigentlich ein Placebo bekommt. Weil Kieselerde in der Bevölkerung als Heilmittel zur Behandlung von Infekten als solches akzeptiert und breit eingesetzt wird, haben wir diese Vergleichssubstanz gewählt.  Wurden alle Patienten, die bisher angemeldet wurden oder selbst Interesse an einer Studienteilnahme hatten, unabhängig von ihrem Ernährungsstatus eingeschlossen? Ja. Jeder, der infiziert ist und sich in einem frühen Stadium befindet, wird versorgt, weil wir glauben, dass unabhängig vom aktuellen Ernährungszustand dieser immer noch optimiert werden kann und das dem Patienten in jedem Fall zugutekommt. Wie kommen die Patienten in die Studie und wie läuft sie ab? Zum einen bitten wir Kolleginnen und Kollegen, uns einen Kontakt zu ihren symptomatischen COVID-19-Patienten zu vermitteln. Alternativ kann sich jeder interessierte Patient selbst in die Maske via Internet eintragen (s. Infokasten). Die Studienteilnehmer erhalten die Testpräparate kostenlos zugesandt. Die teilnehmenden Patienten werden insgesamt fünfmal angerufen. Nach dem Erstkontakt gibt es drei kurze Anrufe im Abstand von zwei Wochen und einen abschließenden Kontakt nach sechs Monaten, in denen Fragen zum Krankheitsverlauf gestellt werden. Wir schauen vor allem auf „grobe Ausschläge“. Ganz besonders interessiert uns, wie viele ins Krankenhaus müssen und wer kann zu Hause bleiben.   Wie ist der aktuelle Stand des Studienverlaufs, gibt es schon erste (Beobachtungs-)Ergebnisse?  Aufgrund der geringen Fallzahlen bis zum Herbst haben wir die ursprünglich geplante Patientenzahl noch nicht erreicht. Wir haben allerdings aus der Pilotphase deutliche Hinweise darauf, dass Vitamin B3 die Symptome von COVID-19 positiv beeinflussen kann. Dies wollen wir in einem zweiten Teil der COVit-Studie gezielt untersuchen. Darin wird eine Kombination aus zwei verschiedenen Vita­min-B3-Tabletten – eine davon wurde von uns entwickelt – mit Placebotabletten verglichen. Es sind noch genügend freie Plätze in der Studie vorhanden. Wir gehen davon aus, dass wir im Laufe des Jahres 2021 erste wichtige Ergebnisse aus der COVit-Studie vorlegen können. Mit welchen Konsequenzen könnten die Ergebnisse für die Therapie von COVID-19-Patienten verbunden sein? Sollen sie sich anders ernähren?Zweite Frage zuerst: Nein. Unsere Studie hat nichts mit Ernährung im klassischen Wortsinn zu tun, obwohl sie das Wort im Namen trägt. Über die normale Nahrungsaufnahme sind die Nährstoffdosen, die wir hier zuführen, nicht zu erreichen.Es wäre natürlich fantastisch, wenn man auf die in der Studie angewandte Weise, also mit einer molekular definierten, hochdosierten Ernährungsintervention, den Krankheitsverlauf tatsächlich positiv beeinflussen könnte, so wie wir uns das vorstellen. Und ganz sicher würde man das dann auch relativ früh in der klinischen Praxis anwenden, um den einen oder anderen vielleicht vor einem Krankenhausaufenthalt zu bewahren oder schwere Verläufe zu verhindern.Herr Professor Schreiber, wir bedanken uns sehr herzlich für das Gespräch.    Die Fragen stellte Elke Klug    StudienteilnahmeIn die Studie werden zurzeit noch Teilnehmer eingeschlossen. Diese können durch behandelnde Ärzte vermittelt werden oder sich selbst anmelden. Besonders angesprochen sind Ärztinnen und Ärzte, die ihren frisch diagnostizierten Patienten eine Behandlungsoption bieten wollen, und Betroffene, bei denen eine SARS-CoV-2-Infektion nachgewiesen wurde und die Symptome haben. Vermittlung durch den Arzt/die ÄrztinDer Patient bekommt ein Merkblatt zur Aufklärung und erhält eine Zugangsnummer, über die er sich unmittelbar anmelden kann. In der Folge erhält er die Studienpräparate. Das Schreiben für Patienten kann von Ärzten angefordert werden unter der Arzt-E-Mail anmeldung@covid19trial.de oder über das Arzt-Telefon 0431 592 957-4153.Oder der behandelnde Arzt erhält, nachdem er den Patienten selbst aufgeklärt hat, einen Fallbogen, den er unter www.covid19trial.eu eingeben kann (Fallnummer erhält der Patient unter https://covid19trial.de). Anmeldung durch den Patienten/die Patientin selbstPatienten können sich unter www.covid19trial.de anmelden und werden von der Studienleitung kontaktiert, erhalten vollständige und detaillierte Informationen zur Studie, dann erfolgt das erste Telefonat mit der Studien­koordination. Oder sie können anrufen bei der Patienten-Hotline 0431 580 906 41.Die Studie wurde von der zuständigen Ethikkommission positiv begutachtet (AZ 107/20) und genehmigt. Eine weitere Ethikbegutachtung vor Ort ist nicht nötig, da die Studie monozentrisch mit Selbstanmeldung der Patienten erfolgt.  Bild Copyright:  Shutterstock / Dotted Yeti, Shutterstock / StudioMolekuul Lesen Sie diesen und weitere spannende Beiträge im e-Paper !  Interview mit:           Prof. Dr. med. Stefan Schreiberstefan.schreiber@uksh.de                aus connexiplus 1-2021 KARDIORENALE ACHSENephrologie, Diabetologie, Kardiologie, Lipidologie, Biomarker, ErnährungSCHWERPUNKT: COVID-19      TITELBILD Copyright:  Science Photo Library / Ktsdesign, Sebastian Kaulitzki. Gestaltung: Jens Vogelsang      
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