CaRe High - Zwischenergebnisse II

Kaskadenscreening und Register für hohes Cholesterinvon Nina Schmidt, Alexander Dressel und Winfried März, Mannheim  Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen die häufigste Todesursache in Deutschland dar. Eine häufige Störung im Lipidstoffwechsel (eine von 300 Personen ist betroffen [1]), die familiäre Hypercholesterinämie (FH), ist mit einem sehr hohen Herz-Kreislauf-Risiko verbunden und führt bereits im jungen Alter zu kardiovaskulären Ereignissen [2, 3].  Bei der familiären Hypercholesterinämie ist der LDL-Cholesterinwert aufgrund von Mutationen in Schlüsselproteinen des Cholesterinstoffwechsels (LDL-Rezeptor, ApoB100, PCSK9) [4–9] bereits ab Kindesalter erhöht. Dadurch kommt es zu einer lebenslangen Belastung der Gefäße mit LDL-Cholesterin. Die FH wird autosomal-dominant vererbt, das heißt die Hälfte der Verwandten aller Patienten ist ebenfalls betroffen. Ausgehend von einem Index-Patienten lassen sich mittels Kaskadenscreening weitere betroffene Personen identifizieren.  Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen lässt sich durch eine frühzeitige Diagnose und Therapie vermindern [10]. Die aktuellen europäischen Leitlinien stufen FH-Patienten als Hochrisikopatienten ein. Für FH-Patienten ohne KHK soll ein LDL-Wert unter 100 mg/dl erreicht werden, für Patienten mit KHK sogar ein LDL-C unter 70 mg/dl [11, 12].  Das CaRe High-Projekt ist eine Registerstudie und ein Kaskadenscreeningprogramm für FH-Patienten in Deutschland [13]. Ziel ist es, wichtige Informationen über die Versorgungssituation der FH-Patienten in Deutschland zu sammeln und über das Kaskadenscreening weitere, bisher unbekannte Patienten frühzeitig zu identifizieren, um eine rechtzeitige Behandlung zu ermöglichen. Methoden Für diese zweite Zwischenanalyse wurden Daten von 790 Patienten im Register verwendet. Die Daten wurden für Alter und Geschlecht stratifiziert. Deskriptive Statistik wurde verwendet, um die Daten hinsichtlich des Behandlungsstatus und der Zielwerterreichung zu untersuchen.  Ergebnisse Stand Dezember 2018 befinden sich mehr als 1.000 FH-Patienten im CaRe High-Register (Abbildung 1). Zum Zeitpunkt des Einschlusses in das Register werden 76 % aller FH-Patienten mit einer lipidsenkenden Therapie behandelt, 24 % der Patienten bleiben unbehandelt. Ohne KHK bleiben 26 % der FH-Patienten unbehandelt, 63 % erhalten orale Lipidsenker, 11 % werden mit einem PCSK9-Inhibitor oder einer Kombinationstherapie mit PCSK9-Inhibitor und oralen Lipidsenkern behandelt. Mit KHK bleiben 10 % der FH-Patienten unbehandelt, 49 % erhalten orale Lipidsenker, 41 % werden mit einem PCSK9-Inhibitor oder einer Kombinationstherapie behandelt (Abbildung 2).              Abbildung 1: Rekrutierungsverlauf CaRe High-Register. Seit Rekrutierungsstart im September 2015 konnten bis November 2018 mehr als 1.000 Patienten in CaRe High eingeschlossen werden.             Abbildung 2: Lipidsenkende Therapie vs. KHK: Patienten ohne bestehende KHK bleiben häufiger unbehandelt als Patienten mit bestehender KHK und erhalten seltener einen PCSK9-Inhibitor.  Die Zielwert-Erreichung wird durch den Einsatz der PCSK9-Inhibitoren verbessert. Ohne PCSK9-Inhibitor erreichen 14 % der Patienten mit KHK und 20 % der Patienten ohne KHK den Zielwert. Mit PCSK9-Inhibitor erreichen 56 % der Patienten mit KHK und 71 % der Patienten ohne KHK den Zielwert (Abbildung 3). Der Behandlungseffekt ist unter Einsatz von PCSK9-Inhibitoren am größten und die Distanz zum Zielwert am kleinsten (Abbildung 4).             Abbildung 3: Zielwerterreichung: Der LDL-Zielwert für FH-Patienten ohne bestehende KHK beträgt 100 mg/dl (2,6 mmol/l), der LDL-Zielwert für FH-Patienten mit bestehender KHK beträgt 70 mg/dl (1,8 mmol/l). Die Zielwerte werden eher von FH-Patienten ohne bestehende KHK erreicht. Die Zielwerterreichung ist unter Nutzung von PCSK9-Inhibitoren wahrscheinlicher.             Abbildung 4: Distanz zum Zielwert und Behandlungseffekt: Die Distanz zum Zielwert ist bei kombiniertem Einsatz von PCSK9-Inhibitoren und oralen Lipidsenkern am kleinsten und der Behandlungseffekt am größten. Diskussion Der größte Teil der FH-Patienten wird zum Zeitpunkt des Einschlusses in das Register bereits mit lipidsenkenden Mitteln behandelt. Liegt bereits eine KHK vor, ist der Anteil größer. Dennoch bleiben 26 % der Patienten ohne KHK und 10 % der Patienten mit KHK entgegen der Leitlinienempfehlung ohne Behandlung. Gründe hierfür können Unverträglichkeit bzw. Nebenwirkungen der Medikamente sowie der Glaube an die „Cholesterinlüge“ sein.  Obwohl mehr als Dreiviertel der Patienten eine lipidsenkende Therapie erhalten, ist die Senkung des LDL-C-Wertes nur bei einem Teil der Patienten zum Zeitpunkt des Einschlusses in das Register ausreichend, um die Zielwerte zu erreichen. Die sehr hohen LDL-Ausgangswerte können in den meisten Fällen auch bei Einsatz von Atorvastatin und bei Kombination mit anderen konventionellen lipidsenkenden Medikamenten nicht ausreichend reduziert werden. In diesen Fällen sollte über den zusätzlichen Einsatz von PCSK9-Inhibitoren nachgedacht werden. Die Zielwerterreichung kann dadurch wesentlich verbessert werden. Leider werden diese neuen Medikamente in der Praxis noch zu selten und hauptsächlich in der Sekundärpräven­tion eingesetzt. Das Potenzial zur Vermeidung schwerer Herz-Kreislauf-Ereignisse bleibt dadurch ungenutzt.  Limitation Bei einem großen Teil der Patienten erfolgte der Einschluss in das Register bei der erstmali­gen Vor­stellung bei einem Lipidspezialisten. Dadurch wird eine im Anschluss erfolgte The­rapieumstellung/‑intensivierung und eine dadurch resultierende Verbesserung der Zielwerterreichung zu diesem Zeitpunkt nicht erfasst. Diese Daten werden in einer Folgebefragung erhoben.Die Datenerhebung beruht auf den Angaben von Patienten und Ärzten sowie bereits vorhandenen Blutwerten. Dadurch liegen nicht in allen Fällen komplette Datensätze bzw. alle Blutwerte vor. Die Ausgangs-LDL-Werte wurden teilweise anhand der angegebenen Medikation berechnet [14], da keine Werte vor Therapie vorhanden waren.  Zusammenfassung Trotz medikamentöser Therapie werden die von internationalen Leitlinien empfohlenen Zielwerte nur selten erreicht. Das große Potenzial der neuen PCSK9-Inhibitoren wird bisher noch nicht ausreichend genutzt, viele Patienten, vor allem in der Primärprävention, sind bei Einschluss in das CaRe High-Register untertherapiert.   Weitere Informationen zum CaRe High-Register und zur Teilnahme finden Sie unter: www.carehigh.de.   ReferenzenSchmidt N, Schmidt B, Dressel A et al. Familial hypercholesterolemia in primary care in Germany. Diabetes and cardiovascular risk evaluation: Targets and Essential Data for Commitment of Treatment (DETECT) study. Atherosclerosis 2017; 266: 24–30.Slack J. Risks of ischaemic heart-disease in familial hyperlipoproteinaemic states. Lancet 1969; 2(7635): 1380–2.Austin MA. Genetic causes of monogenic heterozygous familial hypercholesterolemia: a huge prevalence review. Am J Epidemiol [Internet]. 2004; 160(5): 407–20.Hobbs HH, Brown MS, Goldstein JL. Molecular genetics of the LDL receptor gene in familial hypercholesterolemia. Hum Mutat 1992; 1(6): 445–66.Hobbs HH, Brown MS, Russell DW et al. Deletion in the gene for the low-density-lipoprotein receptor in a majority of French Canadians with familial hypercholesterolemia. N Engl J Med 1987; 317(12): 734–7. Tolleshaug H, Hobgood KK, Brown MS, Goldstein JL. The LDL receptor locus in familial hypercholesterolemia: multiple mutations disrupt transport and processing of a membrane receptor. Cell 1983; 32(3): 941–51. Whitfield AJ, Barrett PH, van Bockxmeer FM, Burnett JR. Lipid disorders and mutations in the APOB gene. Clin Chem 2004; 50(10): 1725–32. Defesche JC, Pricker KL, Hayden MR et al. Familial defective apolipoprotein B-100 is clinically indistinguishable from familial hypercholesterolemia. Arch Intern Med 1993; 153(20): 2349–56. Abifadel M, Varret M, Rabès J-P et al. Mutations in PCSK9 cause autosomal dominant hypercholesterolemia. Nat Genet [Internet] 2003; 34(2): 154–6.Versmissen J, Oosterveer DM, Yazdanpanah M et al. Efficacy of statins in familial hypercholesterolaemia: a long term cohort study. BMJ 2008; 337: a2423.Nordestgaard BG, Chapman MJ, Humphries SE et al. Familial hypercholesterolaemia is underdiagnosed and undertreated in the general population: guidance for clinicians to prevent coronary heart disease: consensus statement of the European Atherosclerosis Society. Eur Heart J [Internet] 2013; 34(45): 3478–90a. Catapano AL, Graham I, De Backer G et al.; ESC Scientific Document Group 2016 ESC/EAS Guidelines for the Management of Dyslipidaemias. Eur Heart J 2016; 37(39): 2999–3058.Schmidt N, Grammer T, Gouni-Berthold I et al. CaRe high – Cascade screening and registry for high cholesterol in Germany. Atheroscler Suppl. 2017; 30: 72–6.NHG-Standpunt Diagnostiek en behandeling van familiaire hypercholesterolemie. Huisarts Wet 2006; 49(4): 288.     Bild Copyright:  Shutterstock / Explode   Autor:           Dr. rer. nat. Nina Schmidtnina.schmidt@carehigh.de               aus connexi  7-2019 NEPHROLOGIEHYPERTENSIOLOGIEDIALYSETRANSPLANTATIONBIOMARKER der kardiorenalen AchseKongressberichte       Titelbild Copyright: Science Photo Library / Jose Calvo, Fotolia / Janis Smits. Gestaltung: Jens Vogelsang   
Neueste Artikel

 

Kontaktieren Sie uns

 

 

 

Folgen Sie uns