FindHIV

FindHIV Late Presentation – Was steckt hinter diesem Phänomen?von Sven Schellberg – für die FindHIV Study Group, Berlin  Die HIV-Infektion ist heute weitestgehend zu einer chronisch-behandelbaren Erkrankung geworden. Die Prognose vieler, in der Öffentlichkeit wesentlich weniger stigmatisierter Erkrankungen wie COPD oder Herzinsuffizienz ist deutlich schlechter, als die einer behandelten HIV Infektion. Dennoch bleibt der Anteil der Patienten, bei denen eine HIV-Infektion spät, d. h. erst mit einem deutlichen Immundefekt oder nach dem Auftreten opportunistischer Infektionen diagnostiziert wird, seit Jahren unverändert hoch.  Der Anteil dieser sogenannten „Late Presenter“ lag in Deutschland 2017 nach Schätzungen des RKI bei noch immer knapp unter 50 %, wie auch die im letzten Jahr auf der EACS-Konferenz in Mailand vorgestellten Zahlen der PROPHET-Studie der dagnä belegen [1]. Auch im internationalen Vergleich z. B. der COHERE Kohorte werden nahezu 50 % aller Patienten damit unnötig spät diagnostiziert [2].  Obwohl auch in diesem Stadium der Infektion hervorragende Therapiechancen bestehen, bleibt „Late Presentation“ assoziiert mit: Höherer Mortalität, mehr Hospitalisierungen Höherem Risiko neurokognitiver Defizite und nicht-AIDS-definierender Erkrankungen Geringer Chance einer vollständigen viralen Suppression Höheren Kosten Höherer Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines IRIS Höherem Risiko einer Transmission Geringerer Lebensqualität [3]. Obwohl die Risikofaktoren einer HIV-Infektion weitläufig bekannt sein sollten und mögliche Indikatorerkrankungen keinesfalls selten sind, zeigt die klinische Erfahrung, dass viele Patienten teilweise schon lange vor Ihrer Diagnose Kontakt zum Gesundheitssystem hatten und eine frühere Diagnose durchaus möglich gewesen wäre, diese Chancen aber zum Teil mehrfach versäumt werden.  FIND-HIV Mit einer vom Innovationsfond finanzierten Studie wird nun der Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen in Kooperation mit der dagnä, MUC Research und CLINOVATE diesem Phänomen auf den Grund gehen. FindHIV (Frühzeitige Identifikation Mittels Normierter Diagnosekriterien), sammelt derzeit in einer initialen Datenerfassung an 35 Zen­tren in ganz Deutschland über etwas mehr als zwölf Monate die Charakteristika von Patienten mit neu diagnostizierter HIV-Infektion. Erfasst werden sollen alle neuen Diagnosen, nicht nur solche, die spät erfolgten. Von besonderem Interesse ist die Ermittlung patientenseitiger Charakteristika, die zu einer Verzögerung der Diagnose führen, die Erhebung der typischen Symptomatiken/Diagnosen vor HIV-Diagnosestellung und die Identifikation der Stellen im Gesundheitssystem, an denen diese Patientengruppe vorstellig wurde. Hierbei geht es nicht nur um Ärzte und Kliniken, sondern auch um andere niedrigschwellige Beratungs- und Testangebote. In einer zweiten Phase, die sich an die Auswertung der Primärdaten anschließt, soll die Erarbeitung eines Scores/Fragenbogens zur Frühdiagnose sowie von Handlungsempfehlungen zur Verringerung der Anzahl von Late Presentern stehen. Hierbei geht es um auch für den Nicht-HIV-Behandler einfach umzusetzende, klinisch relevante Empfehlungen. Die Erfassung der Patientencharakteristika erfolgt in einem einmaligen Interview des Patienten durch den Behandler. Mit Unterstützung eines elektronischen Erfassungssystems und eines entsprechenden Fragealgorithmus werden insbesondere die folgenden Aspekte erfasst: Patientencharakteristika/-struktur unmittelbar vor dem ersten positiven HIV-Tests HIV-Testung Krankheitsstadium und Laborergebnisse Symptome und Erkrankungen vor dem ersten positiven HIV-Test Morbidität und Komorbidität vor dem ersten positiven HIV-Test Kontakte zum Gesundheitswesen vor dem ersten positiven HIV-Test Die Einschätzungen des Behandlers. Um eine ausreichend hohe Datenbasis für die Entwicklungen von Handlungsempfehlungen zu erreichen, sollen etwa 800 Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Ein anspruchsvolles Ziel, das derzeit zu etwa einem Drittel erreicht ist.  Eine rege Mitarbeit an dieser Studie ist erwünscht, insbesondere, da es hier nicht nur um eine deskriptive Erfassung des Problems geht, sondern durch den zu entwickelnden Score/Fragebogen um eine ganz praktische Umsetzung, die noch mehr Pa­tienten eine möglichst frühe Diagnose ermöglichen soll, und allen Beteiligten im Gesundheitssystem die Chancen einer frühen Diagnose demonstriert. Mit der Veröffentlichung des Scores wird derzeit für Mitte 2021 gerechnet.   ReferenzenThe Prophet Study, PE 9/44 EACS 2017, Milan, ItalyMocroft A, Lundgren JD, Sabin ML, Monforte Ad, Brockmeyer N et al. Risk Factors and Outcomes for Late Presentation for HIV-Positive Persons in Europe: Results from the Collaboration of Observational HIV Epidemiological Research Europe Study (COHERE). PLOS Medicine 10(9): e1001510. doi:10.1371/journal.pmed.1001510 (2013).Zoufali A et al. HIV Medicine 2012;13:172-181 DOI:10.111/j.1468-1293.2011.00958.x.  Bild Copyright:  iStockphoto / Oakozhan   Autor:           Dr. med. Sven Schellbergschellberg@novopraxis.berlin                 aus connexi  6-2019 AIDS und HEPATITISMünchner AIDS und Hepatitis Werkstatt 2019DÖAK 2019 in HamburgKongressberichte       Titelbild Copyright: Adobe Stock / DanBu.Berlin, Adobe Stock / detshana, Adobe Stock / magann Gestaltung: Jens Vogelsang     
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