Long-COVID

Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektionvon Tobias Müller, Aachen  Die Lungenerkrankung COVID-19 (coronavirus disease 2019), ausgelöst durch SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome corona virus 2) brach erstmalig im Dezember 2019 in der chinesischen Provinz Hubei aus und verbreitet sich seither weltweit. Klinisch verläuft die Erkrankung extrem variabel, das Spektrum reicht von komplett asymptomatisch bis hin zu schwersten Krankheitsbildern mit einem beträchtlichen Mortalitätsrisiko [1, 2]. Seit der Erstbeschreibung von COVID-19 wurden immense Anstrengungen unternommen, um die Erkrankung näher zu charakterisieren und wirksame Therapien zu finden. Dabei lag der Fokus überwiegend auf dem akuten Krankheitsgeschehen, so dass über die mittel- und langfristigen Folgen der Erkrankung bislang deutlich weniger bekannt ist. Der Hauptmanifestationsort von COVID-19 ist der Respirationstrakt. Auch wenn die Erkrankung bei den meisten Betroffenen mild oder sogar asymptomatisch verläuft, konnten mittels Computer­tomografie selbst bei dieser Patientengruppe Auffälligkeiten oder Gasaustauschstörungen festgestellt werden [3]. In einer anderen Arbeit zeigten sich zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus in Abhängigkeit vom Schweregrad des Verlaufs immer noch lungenfunktionelle Einschränkungen, im Sinne einer Restriktion und einer Diffusionsstörung [4]. Insbesondere die Restriktion scheint im weiteren Verlauf reversibel zu sein, wohingegen die Diffusionsstörung über einen längeren Zeitraum persistiert [5–7]. Hierzu passend waren selbst sechs Monate nach COVID‑19 bei einem beträchtlichen Anteil der Patienten immer noch Veränderungen in der Computer­tomografie nachweisbar, vorwiegend im Sinne von milchglasartigen Verschattungen [6]. Darüber hinaus finden sich radiologisch auch andere persistierenden Lungenveränderungen nach COVID-19. So sind unter anderem das Muster einer organisierenden Pneumonie aber auch ein fibrotischer Umbau der Lunge beschrieben [8–10]. Neben der Beteiligung des Lungenparenchyms spielen während der akuten Phase der Erkrankung aber auch thromboembolische Ereignisse eine entscheidende Rolle [11]. Inwiefern Perfusionsdefekte der Lungenstrombahn allerdings zu Folgezuständen nach COVID-19 beitragen, ist derzeit noch komplett unklar [12]. COVID-19 – eine Multiorganerkrankung Neben der Lunge und den Atemwegen wurde SARS-CoV-2 auch in zahlreichen weiteren Organen, unter anderem der Niere, nachgewiesen. Hierzu passend leiden Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf häufig unter einer Einschränkung der Nierenfunktion [1, 13]. Bei Patienten, welche die Erkrankung überstanden haben, scheinen die Nierenfunktionsstörungen in den meisten Fällen aber reversibel zu sein [14]. Während der akuten Infektion lassen sich häufig Hinweise auf eine myokardiale Schädigung beobachten, insbesondere erhöhte Troponin- oder proBNP-Werte. Als Ursache hierfür kommen unter anderem das akute Koronarsyndrom, die Erstmanifestation bislang nicht diagnostizierter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzrhythmusstörungen oder eine Myokarditis im Rahmen der systemischen Entzündungsreaktion in Frage [15]. Mittels kardialer Magnetresonanztomografie lassen sich bei Patienten mit erhöhten kardialen Biomarkern auch nach überstandener Erkrankung noch Veränderungen nachweisen, eine persistierende Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion ist aber selten [5, 16]. Nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion berichten Patienten häufig über persistierende Symptome, insbesondere über Fatigue und Muskelschwäche, teilweise aber auch über Kurzatmigkeit. Dies Symptomatik korreliert dabei häufig nicht mit der Schwere der akuten Erkrankung oder objektivierbaren kardiopulmonalen Einschränkungen und betrifft auch jüngere Patienten ohne relevante Vorerkrankungen [5, 6, 17–19]. Inzwischen sind zahlreiche Manifestationen von SARS-CoV-2 im zentralen und peripheren Nervensystem bekannt, unter anderem finden sich bei Patienten mit fatalem Verlauf multifokale mikrovaskuläre Läsionen im Gehirn [20, 21]. Ob diese oder sonstige zentralnervöse Veränderungen mit der beschriebenen Symptomatik im Zusammenhang stehen, ist allerdings immer noch unklar. Eine aktuelle Arbeit konnte immerhin bei Patienten nach COVID-19 und persistierenden Symptomen im Vergleich zu Gesunden einen verminderten zerebralen Metabolismus mittels Posi­tronen-Emissions-Tomografie nachweisen [22].   Diagnostik und Therapie Bezüglich der Diagnostik und Therapie dieser Folgeerscheinungen gibt es momentan nur sehr beschränkte Evidenz, und demnach herrscht diesbezüglich noch große Unsicherheit. In jedem Falle sollten Funktionseinschränkungen objektiviert werden. Bei Patienten mit persistierender Dyspnoe und Belastungseinschränkung kann dies beispielsweise durch entsprechende Labordiagnostik, eine Lungenfunktionsprüfung und eine transthorakale Echokardiografie erfolgen. Auf diese Weise werden möglicherweise auch Erkrankungen diagnostiziert (obstruktive Atemwegserkrankungen, Herzinsuffizienz, Anämie), die unabhängig von COVID-19 sind und eine dementsprechende Therapie benötigen. Persistierende Veränderungen des Lungenparenchyms sprechen möglicherweise auf eine antiinflammatorische Therapie mit Steroiden an, allerdings sollten zuvor Infektionen ausgeschlossen werden [23]. Patienten, die vorwiegend unter Fatigue und neuropsychologischen Folgeerscheinungen der Erkrankung leiden, profitieren womöglich von multidisziplinären Rehabilitationsprogrammen [24, 25]. Fazit Zusammengefasst lassen sich bei einem relevanten Anteil an Patienten nach SARS-CoV-2-Infektion, insbesondere aber nicht ausschließlich nach schwerem Verlauf, Folgeerscheinungen beobachten. Die Genese dieser Folgeerscheinungen ist multifaktoriell, möglicherweise spielt eine Dysregulation des Immunsystems in diesem Zusammenhang eine Rolle [15]. Bislang ist es noch nicht möglich einzuschätzen, in welchem Ausmaß und in welchem Zeitraum diese Folgeerscheinungen reversibel sind, weshalb weitere Daten abzuwarten sind.       ReferenzenDreher M, Kersten A, Bickenbach J et al. 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