Vorhofflimmern

Kryoablation – eine eiskalte Erfolgsgeschichtevon Christian Spies und Martin Neef, Leipzig ... hier geht es direkt zum e-Paper inkl. aller Abbildungen Weltweit ist Vorhofflimmern bei Erwachsenen die am häufigsten auftretende Herzrhythmusstörung. Das Lebenszeitrisiko eines 55-jährigen Europäers liegt zwischen 35 % und 40 %. Risikofaktoren sind neben zunehmendem Lebensalter (Volks-)Krankheiten wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus und häufige nächtliche Atempausen [1]. Das Auftreten von Vorhofflimmern wird häufig durch elektrische Extraimpulse aus den Lungenvenen ausgelöst. Dabei kommt es zu einer irregulären elektrischen Aktivität in den Vorhöfen, welche zu einem unregelmäßigen und häufig zu schnellen Herzschlag führt. Dies führt zu strukturellen Veränderungen in den Vorhöfen, welche wiederum das Auftreten von Vorhofflimmern begünstigt. Ein Circulus vitiosus hat begonnen, die Dauer an Vorhofflimmer-Episoden nimmt immer weiter zu, bis dieses schließlich dauerhaft vorhanden ist. Vorhofflimmern kann symptomlos auftreten oder sich mit Herzstolpern, Luftnot, Bewusstlosigkeitsattacken oder Leistungsminderung manifestieren. Diese Arrhythmie hat eine gut belegte Assoziation mit embolischen Ereignissen, Schlaganfällen, Herzinsuffizienz sowie einer erhöhten Sterblichkeit [2]. Die Behandlung von Vorhofflimmern beruht dabei auf der Reduktion von Risikofaktoren, der Verhinderung von (primär thromboembolischen) Komplikationen sowie der Symptomkontrolle mittels Herzfrequenz- oder Rhythmuskontrolle. Durch Lebensstiländerungen können entsprechende Risikofaktoren positiv beeinflusst werden. Eine besondere Bedeutung hat eine konsequente Blutdruckkontrolle, körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Cholesterinsenkung mit Statinen. Dadurch kann die Rate an Vorhofflimmerepisoden relevant reduziert werden. Die Beurteilung des individuellen Schlaganfallrisikos und damit einhergehend auch die Indikation zur Antikoagulation erfolgt mit einem Punktesystem (CHA2DS2-VASc). In dieses fließen die Komorbiditäten des Patienten, das Geschlecht sowie das Lebensalter ein. Seit einigen Jahren gibt es hierfür mit den direkten oralen Antikoagulanzien eine neue Medikamentengruppe, welche aufgrund der einfachen oralen Einnahme ohne Notwendigkeit von regelmäßigen Kontrollen einen hohen Patientenkomfort bieten und in großen Studien eine bessere Schlaganfallreduktion bei gleichzeitig geringerem Blutungsrisiko gegenüber Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon (z. B. Marcumar, Falithrom) gezeigt haben.  Rhythmuserhaltende Therapien Wird Vorhofflimmern zu schnell auf die Ventrikel übergeleitet, führt dies häufig zu Luftnot, Herzrasen oder bei anhaltenden Phasen zu einer Herzinsuffizienz. Eine Frequenzkontrolle kann mit Betablockern oder Kalziumantagonisten vom Verapamil- oder Diltiazem-Typ erfolgen, die Ziel-Herzfrequenz liegt dabei bei <110 Schlägen/Minute [1]. Die primäre Indikation für eine rhythmuserhaltende Therapie ist die Reduktion von vorhofflimmerassoziierten Symptomen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität. Die Aussicht auf einen andauernden Rhythmuserhalt ist dabei größer, wenn in einem frühen Krankheitsstadium mit einer rhythmuserhaltenden Therapie begonnen wird, bevor das Vorhofflimmern anhaltend ist. Die bisherigen Leitlinien haben für die meisten Patienten als primäre Behandlung eine pharmakologische antiarrhythmische Therapie und im Falle einer Intoleranz oder Ineffektivität eine elektrische Isolation der Pulmonalvenen mittels Katheterablation empfohlen. In den neuen Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) wird die Katheterablation aufgewertet und in einigen Fällen als primäre Therapieoption empfohlen [1].  Katheterablation Die am häufigsten verwendete Methode zur Isolation der Lungenvenen ist die Punkt-für-Punkt-Hochfrequenzstrom-Ablation, welche durch Ge­webeerwärmung zur Zellnekrose führt. Da die Steuerung des Ablationskatheters über ein elektro­anatomisches Mapping erfolgt, wird bei dieser Technik weniger Strahlung benötigt, die Untersuchung ist aber komplex und kann eine längere Untersuchungszeit erfordern. Eine andere und zunehmend erfolgversprechende Methode ist die Ablation mit Kälteenergie. Für eine Isolation der Lungenvenen mittels Kryoablation wird etwas mehr Strahlung benötigt; die Eingriffsdauer sowie der Krankenhausaufenthalt sind aufgrund der geringeren Komplexität aber kürzer und weisen die gleiche Erfolgs- und Komplikationsrate auf [3]. In einer aktuell veröffentlichten Studie konnte die kälte­induzierte Ablation bei therapienaiven Patienten den Rhythmus sogar deutlich effektiver stabilisieren als eine antiarrhythmische Therapie [2].   Kryoablation Bei einer Kryoablation werden zwei Katheter nach Punktion der rechten Leistenvene bis in den rechten Vorhof vorgebracht. Mit einem 10-poligen Katheter wird der Koronarsinus sondiert, über diesen können elektrische Signale der Vorhöfe sowie der Kammern abgegriffen werden und bei Bedarf eine Stimulation erfolgen. Mit dem zweiten Ka­­the­ter wird das Vorhofseptum passiert und die in den linken Vorhof mündenden Lungenvenen nach deren Darstellung mittels Kontrastmittelinjektion sequenziell mit einem Ballon okkludiert (Abbildung 1). Elektrische Signale in den Lungenvenen können durch den 8-poligen Lasso-Katheter erfasst und deren elektrische Weiterleitung in den Vorhof analysiert werden. Durch Inflation mit flüssigem Stickstoff wird der Ballon auf der dem Gewebe aufliegenden Hälfte auf bis –80°C gekühlt. Eine Behandlung dauert maximal 240 Sekunden, wobei in Einzelfällen eine Lungenvene mehrfach behandelt wird. Durch Erfrierung wird eine zirkuläre Nekrose induziert und damit eine elektrische Isolation erreicht. Ist vor der Behandlung ein elektrisches Lungenvenen-Signal nachweisbar, kann mit zunehmender Kälteapplikation eine Leitungsverzögerung bis hin zum Leitungsblock und dem damit erfolgten Isolationsnachweis gezeigt werden (Abbildung 2). Anschließend erfolgt eine Stimulation in der Lungenvene über den 8-poligen Lasso-Katheter. Wird diese nicht auf den Vorhof übergeleitet, ist die Lungenvene erfolgreich isoliert. In der Nähe der rechten Lungenvenen verläuft der Nervus phrenicus, welcher für die Zwerchfellstimulation essenziell ist. Um eine kälteinduzierte Schädigung des Nerven mit drohendem irreversiblem Funktionsverlust zu vermeiden, erfolgt während der Behandlung der rechten Lungenvenen ein Neuromonitoring durch Stimulation des Nerven mit dem 10-poligen Katheter. Für die Durchführung einer Kryoablation ist keine Narkose notwendig, eventuell auftretende Schmerzen können erfahrungsgemäß gut mit Schmerzmedikamenten wie Piritramid kupiert werden. Nach der Behandlung muss entsprechend dem vorgenannten Punktesystem weiterhin eine Antikoagulation eingenommen werden. Fazit Zusammengefasst stellt die Kryoablation eine sichere und wirksame Methode zur Behandlung von symptomatischem Vorhofflimmern dar, deren Vorteil unter anderem in einer Verkürzung der Eingriffszeit liegt. Entscheidend ist jedoch die höhere Erfolgsrate im Vergleich zu pharmakologischen antiarrhythmischen Strategien.     ReferenzenHindricks G, Potpara T, Dagres N et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association of Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) Eur Heart J 2020 Aug 29; ehaa612 [published online ahead of print]. Hermida JS, Chen J, Meyer C et al. Cryoballoon catheter ablation versus antiarrhythmic drugs as a first-line therapy for patients with paroxysmal atrial fibrillation: Rationale and design of the international Cryo-FIRST study. Am Heart J 2020; 222: 64–72. Kuck KH, Brugada J, Fürnkranz A et al. Cryoballoon or radio­frequency ablation for paroxysmal atrial fibrillation. N Engl J Med 2016; 374(23): 2235–45.  Bild Copyright:  Lesen Sie diesen und weitere spannende Beiträge zur Lipidologie im e-Paper !  Autor:           Dr. med. Christian Spieschristian.spies@medizin.uni-leipzig.de              Dr. med. Martin Neefmartin.neef@medizin.uni-leipzig.de              aus connexiplus 4-2020 KARDIORENALE ACHSENephrologie, Diabetologie, Kardiologie, Lipidologie, Biomarker, Ernährung      Titelbild Copyright: Shutterstock / AlexRoz, Shutterstock / Maria Averburg, Shutterstock / 3Dstock, Shutterstock / Sebastian Kaulitzky. Gestaltung: Jens Vogelsang     
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