Ergebnisse der STOP IgAN-Studie

Interview mit Professor Dr. Jürgen Floege, Aachen   Um eine aktuelle, valide Risiko-Nutzen-Bewertung der immunsuppressiven Therapie bei IgA-Nephritis (IgAN) zu erhalten, wurde Anfang 2008 unter der koordinierenden Studienleitung von Professor Dr. med. Floege, Aachen, eine industrieunabhängige prospektive, multizentrische randomisierte Studie in 34 deutschen und anderen europäischen Studienzentren gestartet. Die STOP-IgAN-Studie (www.stop-igan-study. rwth-aachen.de) untersuchte ob Patienten, die eine optimale supportive Therapie erhalten, von einer zusätzlichen immunsuppressiven Therapie profitieren. Im Rahmen des 52nd ERA-EDTA-Kongresses in London, sprach Professor Floege über die inzwischen vorliegenden Studienergebnisse.   Die IgA-Nephritis oder IgA-Nephropathie ist unter den idiopathischen Glomerulonephritiden (GN) die häufigste. In Europa sind die Glomerulonephritiden die dritthäufigste Ursache für eine terminale Niereninsuffizienz [1]. Bei jüngeren Erwachsenen sind sie, und hier insbesondere die IgAN, die häufigste Ursache für eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz. Im Falle der IgAN kommt es aus noch unbekannten Gründen zu IgA-enthaltenden Ablagerungen von Immunkomplexen in den Glomeruli. Die Ablagerungen führen zu komplexen Entzündungsreaktionen mit Granulozytenmigration und einer Proliferation von Mesangiumzellen. Männer sind doppelt so häufig betroffen als Frauen. Innerhalb von 10–20 Jahren entwickeln etwa 20–30 % der Patienten ein dialysepflichtiges Nierenversagen. Zu den Risikofaktoren gehören arterielle Hypertension, ausgeprägte Proteinurie, männliches Geschlecht, Adipositas und Nikotinkonsum.   Die Therapieoptionen der idiopathischen IgAN basierten zuletzt weitgehend auf Expertenmeinung und einer schwachen Evidenz. Folgerichtig wurden in den aktuellen KDIGO Clinical Guidelines [2] für die GN fast alle Empfehlungen zur IgNA mit niedrigen Evidenzleveln versehen. Ausgehend von immunpathogenetischen Überlegungen werden seit über 50 Jahren bei der Behandlung der GN antientzündliche, immunsuppressive Therapieregime eingesetzt. Kortikosteroide werden ebenso verwendet wie andere immunsuppressive Substanzen und sogar Zytostatika. Alle diese Therapien gehen jedoch mit potenziell schweren Nebenwirkungen einher. Andererseits ist bei der IgAN die sogenannte supportive Therapie von ganz besonderer Bedeutung, und diese wurde möglicherweise in der Vergangenheit unterschätzt. Eine effektive Blutdruckkontrolle und eine antiproteinurische Therapie scheinen entscheidend zu sein für IgAN-Patienten.       Herr Professor Floege, wie würden Sie die immunsuppressive Therapie bei der IgA-Nephropathie im Kontext mit den Ergebnissen der STOP-IgANStudie bewerten?   Einige Patienten scheinen von der immunsuppressiven Therapie zu profitieren, das zeigt die höhere Anzahl der Patienten, die eine vollständige klinische Remission erreichen. Dieser Vorteil geht jedoch nicht einher mit einem nachweisbaren Effekt auf den Verlust der Nierenfunktion (gemessen als Abnahme der eGFR). Darüber hinaus war eine Immunsuppression assoziiert mit dem vermehrten Auftreten von (schwerwiegenden) unerwünschten Ereignissen (SAEs) wie Infektionen, Diabetes und Gewichtzunahme.   Ob sich die höhere Anzahl der Patienten, die in der Studie eine vollständige klinische Remission erreicht haben, langfristig positiv auswirken wird, wissen wir zurzeit noch nicht. So gesehen, wirft die Studie berechtigte Fragen über den Nutzen der immunsuppressiven Therapie auf.     Frühere Studien zeigten unterschiedliche Ergebnisse, die kürzlich veröffentlichte VALIGA-Studie [3] beispielsweise kam zu dem Ergebnis, dass Korktikosteroide die Progression der IgA-Nephropathie verlangsamen können ...   Das ist richtig, bei vielen dieser Studien, einschließlich der VALIGA-Studie, handelt es sich jedoch um retrospektive Studien, und es wäre nicht das erste Mal, dass über prospektive, randomisierte Analysen widerlegt wird, was zuvor in Beobachtungstudien veröffentlicht wurde. Die STOP-IgANStudie ist bis dato die größte randomisierte klinische Studie (RCT), die der Frage nach einer zusätzlichen Immunsuppression nachgegangen ist. Sie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und unter Einhaltung der höchsten wissenschaftlichen Standards industrieunabhängig durchgeführt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen STOP-IgA-Patienten und Patienten früherer IgAN-Studien könnte die sehr strikte Blutdruckkontrolle während der sechsmonatigen Run-in-Phase vor Randomisierung, und, noch wichtiger, während der gesamten dreijährigen Studiendauer sein.     Angesichts der Ergebnisse Ihrer Studie, wie sollte eine IgA-Nephropathie aktuell behandelt werden?   In der Studie hatten wir eine sechsmonatige Run-in-Phase, während der alle Patienten ausschließlich eine supportive Therapie erhielten. Was wir sahen, war, dass die Proteinurie in 30 % der Fälle bereits in der Run-in-Phase auf Werte unter 0,75 g/d verringert werden konnte. Das wiederum hatte zur Folge, dass diese Patienten nicht länger die Einschlusskriterien der Studie erfüllten und nicht randomisiert werden konnten.   Für den klinischen Alltag bedeutet dies, zunächst immer eine intensivierte supportive Therapie (z. B. maximierte antihypertensive und antiproteinurische Medikation) anzustreben. Sollte sich darüber nicht der gewünschte Effekt einstellen, und z. B. die Proteinurie anhalten, ist es notwendig, sich über das Stadium der IgAN Klarheit zu verschaffen. Für Patienten in einem frühen Stadium, deren Proteinurie –1,5 g/d nicht übersteigt, kann eine immunsuppressive Therapie in Erwägung gezogen werden. Patienten in einem fortgeschrittenen IgAN-Stadium mit höherer Proteinurie scheinen jedoch von einer zusätzlichen Immunsuppression nicht mehr zu profitieren. Solche Patienten sollten daher eher nicht mit Immunsuppressiva behandelt werden, denn ohne ausreichende Aussicht auf Erfolg sollte man Patienten nicht den Risiken und Nebenwirkungen aussetzen, die eine solche Therapie mit sich bringt.     Vielen Dank, Herr Professor Floege, für dieses Gespräch.     Referenzen: 1. http://www.era-edta-reg.org/index.jsp?p=14 2. http://kdigo.org/home/glomerulonephritis-gn 3. Tesar V, Troyanov S, Bellur S et al. Corticosteroids in IgA Nephropathy: A Retrospective Analysis from the VALIGA Study.  J Am Soc Nephrol 2015 Feb 12. [Epub ahead of print].     Quelle: Scientific Press Conference, 52nd ERA-EDTA Congress, Freitag, den 29. Mai 2015, London     Im Interview:           Prof. Dr. Jürgen Floege, Aachen         Das Interview führte Dr. Bettina Albers Redaktion: Rüdiger Zart     aus connexi  5-2015 März bis Juni 2015 Nephrologie, Dialyse, Transplantation Kongressberichte
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