Kardiovaskuläre Komplikationen

Die Rolle von Interleukin-1α bei CKD und kardiovaskulären Erkrankungen von David Schmit und Stephen Zewinger, Homburg/Saar   Die chronische Niereninsuffizienz (CKD) stellt weltweit eine häufige Erkrankung mit hoher Morbidität und Mortalität dar. Hierbei ist das Risiko für nierenkranke Patienten an kardiovaskulären Komplikationen zu versterben bereits in frühen Krankheitsstadien im Vergleich zu Nierengesunden erhöht und trägt maßgeblich zur hohen Krankheitslast bei CKD-Patienten bei [1]. Neben den klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie arterieller Hypertonie, Dyslipoproteinämie oder Diabetes mellitus stellt die chronische Niereninsuffizienz mit ihrem pro-inflammatorischen Milieu einen unabhängigen Risikofaktor für die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen dar.   CKD/CVD und Inflammation   Sowohl in der Pathophysiologie der CKD als auch in den daraus resultierenden Komorbiditäten spielt die sterile Inflammation eine entscheidende Rolle [2]. Diese sterile Entzündungsreaktion wird vorwiegend von Zellen des angeborenen Immunsystems und von diesen sezernierten proinflammatorischen Mediatoren wie den Zytokinen mediiert. Im Unterschied zum adaptiven Immunsystem wird diese Entzündungsreaktion durch verschiedenste Media­toren induziert und ist keine pathogenspezifische Reaktion. Die initiale Aktivierung der verschiedenen Zelltypen wie Monozyten, Makro­phagen oder dendritischen Zellen erfolgt über die Aktivierung von Mustererkennungsrezeptoren (pattern recognition receptors, PRRs) durch endogene (danger-associated molecular pattern, DAMPs) oder exogene Stimuli (pathogen-associated molecular pattern, PAMPs) [2, 3]. Bisher sind vier verschiedene Klassen von PRRs bekannt: TLRs (Toll-like receptors), NLRs (nucleotide-binding oligomerization domain [NOD]-like receptors), CLRs (C-type lectin receptors) und RLRs (retinoic acid-inducible gene [RIG]-I-like receptors). Je nach Typ werden diese auf der Zelloberfläche und/oder intrazellulär exprimiert. Neben den Zellen des angeborenen Immunsystems sind PRRs unter anderem auch auf Endothelzellen bzw. Fibroblasten insbesondere auch der Niere zu finden [2]. Besonders TLRs und NLRs, zu denen das NLRP3-Inflammasom gehört, spielen eine entscheidende Rolle in der Entstehung und der Progression der chronischen Niereninsuffizienz, der arteriellen Hypertonie und der Atherosklerose.   Struktur und Mechanismen der Sekretion von IL-1α   1974 beschrieben Dinarello et al. humane Pyrogene, deren Aminosäuresequenzen 1985 entschlüsselt und die fortan als IL-1α und IL-1ß bezeichnet wurden. Die anfängliche Forschung zeigte einige Gemeinsamkeiten dieser beiden Zytokine, sodass sie unter dem Oberbegriff der IL-1-Super-Familie zusammengefasst wurden; eine Gruppe, die mittlerweile aus elf verschiedenen Zytokinen besteht [4]. Untersuchungen der folgenden Jahre fokussierten sich vornehmlich auf die Funktion von IL-1ß. Dennoch zeigen neuere Erkenntnisse, dass auch IL-1α eine wesentliche Rolle in der Entstehung und Aufrechterhaltung einer sterilen Inflammation bei CKD sowie den kardiovaskulären Begleiterkrankungen spielt [5, 6].   Die Transkription von IL-1α erfolgt zunächst in seine Pro-Form (pro-IL-1α; 31 kDa). Durch proteolytische Spaltung entstehen IL-1-α NTP (N-terminal IL-1α propiece; 16 kDa) und matures IL-1α (17 kDa) [7]. Die intra- und extrazelluläre Prozessierung von pro-IL-1α an Stelle Phe 118 erfolgt durch das calciumabhängige Enzym Calpain [8]. Im Unterschied zu pro-IL-1ß kommt der Caspase-1 als Bestandteil des NLRP-3-Inflammasoms keine direkte Rolle in der enzymatischen Spaltung zu. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Zytokinen besteht darin, dass pro-IL-1α im Gegensatz zu pro-IL1ß bereits biologisch aktiv ist. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich der biologischen Aktivität konnten zwischen der Pro-Form und mature IL-1 bisher jedoch nicht gezeigt werden, aber sind bislang auch noch unvollständig untersucht [9]. Dennoch gibt es Hinweise, dass je nach spaltender Protease (Calpain, Chymase, Granzym B) verschiedene IL-1-α Isoformen mit durchaus verschiedenen Funktionen entstehen können [10].   Interleukin-1α wird konstitutiv auf vielen verschiedenen Zelltypen insbesondere Zellen mit direktem Oberflächenkontakt wie Endothel- und Epithelzellen aber auch Zellen des Immunsystems exprimiert [4]. Dort fungiert es sowohl in einer sezernierten als auch in einer membrangebundenen Form. Zahlreiche Untersuchungen konnten zeigen, dass verschiedene proinflammatorische Stimuli zur Translokation von pro-IL-1α aus dem Zytosol in die Plasmamembran führen. Neben der intrazellulären Prozessierung durch Calpain erfolgt hier die Spaltung durch Proteasen zu IL-1α und schließlich die Sekretion [11].   Einen weiteren Mechanismus der Freisetzung von pro-IL-1α stellt die passive Freisetzung bei Zelllyse dar. Im Fall einer Infektion oder eines sonstigen Zellschadens im Sinne einer Nekrose kommt es im Zuge einer gesteigerten Membranpermeabilität zur passiven Freisetzung von pro-IL-1α und folglich zur Inflammation [12]. Die Apoptose, als geregelter Zelltod, hingegen führt zur Translokation von pro-IL-1α in den Nukleus und zur Bindung an Chromatin und fungiert damit als Transkriptionsfaktor1 [13]. Somit wird mutmaßlich eine überschießende Entzündungsreaktion verhindert.     Bekannte Stimuli der Freisetzung und Funktion von IL-1α   Die Expression von IL-1α erfolgt in zahlreichen hämatopoetischen und nicht hämatopoetischen Zellen. Die Transkription wird dabei durch verschiedene Stimuli gesteigert. Dazu gehören oxidativer Stress [12], freie Fettsäuren [5, 14], Zytokine (z.B. IL-1ß) und verschiedene TLR-Agonisten [15].   Seine Wirkung entfaltet IL-1α dabei über autokrine, parakrine und systemische Mechanismen. Wie IL-1 bindet auch IL-1α an den IL-1α Rezeptor 1 (IL-1R1) und aktiviert darüber somit verschiedene proinflammatorische Signalwege. Membrangebundes pro-IL-1 stimuliert Endothelzellen über einen juxtakrinen Mechanismus zur Sekretion von IL-8 [16]. Dieses Zytokin wiederum führt zur Migration von neutrophilen Granulozyten durch das Endothel und trägt maßgeblich zur Entstehung der Atherosklerose bei. Neben IL-8 induziert IL-1α auch die Sekretion von IL-6 aus Endothelzellen, welches insbesondere bei Dialysepatienten deutlich erhöht ist und mit einer erhöhten Mortalitätsrate korreliert [17]. Zahlreiche weitere Untersuchungen konnten die pathophysiologische Bedeutung von IL-1α bei inflammatorischen Prozessen hervorheben.   Auch direkte genomische Funktionen wurden bisher beschrieben. So besitzt pro-IL1α eine Kernlokalisationssequenz (NLS), die es ermöglicht, auf verschiedenen Stimuli hin in den Zellkern zu translozieren. In einigen Gewebszellen wie Keratinozyten oder Fibroblasten erfolgt diese Translokation konstitutiv, wohingegen in Makrophagen eine Stimulation mit Lipopolysaccharid als TLR4-Liganden erforderlich ist [18]. Über diesen Mechanismus wird die Transkription proinflammatorischer Zytokine unabhängig von IL-1-R1 induziert. Insgesamt führt die IL-1α-getriggerte Inflammation zu einem Circulus vitiosus, in dem IL-1α exprimierende/sezernierende Zellen andere Zellen aktivieren und ihren eigenen Aktivierungsgrad durch einen autokrinen Mechanismus verstärken. Aus diesem Grund wird IL-1α auch als Schlüssel-Alarminin angesehen.     IL-1α bei kardiovaskulären Erkrankungen   Zahlreiche Untersuchungen zeigten die zentrale Rolle des NLRP3-Inflammasoms in der Initiierung von Entzündungsreaktionen bei Folgeerkrankungen des metabolischen Syndroms wie Diabetes mellitus oder der arteriellen Hypertonie. Das NLRP3-Inflammasom prozessiert auf verschiedene Stimuli hin pro-1L-1ß zu aktivem IL-1ß und führt damit zur Sekretion dieses Zytokins. Interessanterweise zeigen jedoch IL-1ß+–/–-Mäuse keinen wesentlichen Unterschied zu Wildtyp-Mäusen bei der Entwicklung einer Atherosklerose nach einer cholesterinreichen Western-Diät [19]. IL-1α+/–-Mäuse hingegen wiesen deutlich weniger atherosklerotische Läsionen nach der entsprechenden Diät auf [20]. Freigang et al. konnten zeigen, dass IL-1α und nicht IL-1ß eine Schlüsselrolle in der Initiierung einer sterilen Inflammation bei Atherosklerose zukommt. Mechanistisch wiesen die Autoren zudem nach, dass freie Fettsäuren zu einer über eine mitochondriale Entkopplung gesteigerten Sekretion von IL-1α aus Makrophagen führen [5]. Dieser Mechanismus verläuft unabhängig von der Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms. Zudem stimuliert IL-1α Endothelzellen zur Sekretion von IL-8 und fördert somit die Migration von Entzündungszellen durch das Endothel in Gefäßläsionen, woraus schließlich eine sterile Inflammation in der Gefäßwand resultiert.     Zusammenfassung   Interleukin-1α kommt eine zentrale Rolle in der Initiierung und Steuerung der sterilen Inflammation nicht nur bei chronischer Niereninsuffizienz und Atherosklerose zu. Zahlreiche Fragen insbesondere die exakten Stimuli, die zur Sekretion dieses Zytokins führen oder die Steuerung der Oberflächenexpression, der Kernlokalisation bzw. die Rolle von Calpain in der Prozessierung bleiben weiterhin Gegenstand aktueller Forschungsbemühungen.         Referenzen Go AS, Chertow GM, Fan D et al. 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